18.10.2023 von Bianca Dlugosch

Aktuelles Urteil im Arbeitsrecht: Die Grenzen der außerordentlichen Kündigung

Im Arbeitsrecht gibt es viele Grauzonen, die sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer zu Unsicherheiten führen können. Ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 1. Februar 2023 (Aktenzeichen: 17 U 30/22) befasst sich mit der Komplexität der außerordentlichen Kündigung und der Bedeutung der sozialversicherungsrechtlichen Einstufung von Arbeitnehmern. Dieser Blogartikel beleuchtet den Fall im Detail, erläutert die Begründung des Urteils und bietet einen Ausblick auf die möglichen Auswirkungen für ähnliche Fälle.

Der Fall im Detail

In dem Urteil ging es um die Kündigung eines Begleithebammenvertrags zwischen einem Krankenhaus und einer Hebamme. Ursprünglich war die Hebamme freiberuflich tätig und rechnete ihre Leistungen direkt mit den Patientinnen ab. Die Deutsche Rentenversicherung stufte jedoch in einem Clearingverfahren den Vertrag einer anderen Hebamme, die ebenfalls im selben Krankenhaus tätig war, als versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ein. Daraufhin kündigte das Krankenhaus den Vertrag mit der betroffenen Hebamme außerordentlich. Als Begründung gab das Krankenhaus an, dass die Grundlage für die Zusammenarbeit, nämlich der freiberufliche Status der Hebamme, nicht mehr gegeben sei. Die Hebamme klagte daraufhin auf entgangenen Gewinn in Höhe von etwa 26.000 €.

Das Urteil und seine Begründung

Das Gericht stellte fest, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam ist. Dies begründete es damit, dass es für das Krankenhaus zum Zeitpunkt der Kündigung nicht unzumutbar gewesen sei, das Vertragsverhältnis fortzusetzen. Insbesondere war der Bescheid der Rentenversicherung zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht rechtskräftig, da die betroffene Hebamme Widerspruch eingelegt hatte. Zudem hätte das Krankenhaus das Risiko einer rückwirkenden Beitragszahlung selbst vermeiden können, indem es bei Vertragsabschluss ein Statusfeststellungsverfahren durchgeführt hätte.

Das Gericht lehnte allerdings auch den Anspruch der Hebamme auf Schadensersatz ab, da sie ihren entgangenen Gewinn nicht ausreichend nachweisen konnte. Obwohl sie Verträge mit Schwangeren vorlegte, die sie aufgrund der Kündigung nicht mehr erfüllen konnte, fehlten konkrete Angaben zu alternativen Einkommensmöglichkeiten die, durch den Wegfall der Begleitgeburten, hätten realisiert werden können.

Fazit und Ausblick

Das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main unterstreicht die Komplexität der außerordentlichen Kündigung im Arbeitsrecht. Es legt nahe, dass Arbeitgeber bei Statusänderungen von Arbeitnehmern sorgfältig prüfen müssen, ob eine Kündigung rechtlich haltbar ist. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, könnte jedoch bei Bestätigung Implikationen für ähnliche Fälle haben. Es empfiehlt sich für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die rechtlichen Rahmenbedingungen ihrer Vertragsverhältnisse genau zu kennen und bei Unsicherheiten proaktiv rechtlichen Rat einzuholen.

Wenn Sie Fragen zum Thema Arbeitsrecht oder Kündigung haben, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Unser erfahrenes Team von Anwälten steht Ihnen gerne für eine individuelle Beratung zur Verfügung. Anwaltskanzlei Bauer & Kollegen

Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Fragen oder Anliegen sollten Sie sich an einen qualifizierten Rechtsanwalt wenden.

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Oberlandesgericht Frankfurt am Main vom 01.02.2023, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.

 




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