23.06.2020 von Bianca Dlugosch

Haftung des Unfallgegners auch ohne Kenntnis des Kennzeichens möglich

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 31.03.2020, Az. 13 U 226/15

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschied mit Urteil vom 31.03.2020, dass eine Haftung des Unfallgegners nicht unbedingt voraussetzt, dass der Geschädigte das amtliche Kennzeichen des unfallbeteiligten Fahrzeuges vorträgt. Es genügen insoweit hinreichende Anhaltspunkte, wie etwa ein Logo oder auch die Firmenaufschrift. Diese sprechen mit großer Wahrscheinlichkeit für die Haltereigenschaft. Der in Anspruch genommene Halter trifft damit eine sekundäre Darlegungslast.

Zum Sachverhalt:

Der Geschädigte befuhr die Autobahn 3 auf der Mittelspur mit einer Geschwindigkeit von etwa 170-180 km/h. Auf der rechten Fahrbahn fuhr in gleicher Richtung ein Lkw-Gliederzug mit einer Firmenaufschrift sowie einer aufgedruckten Webadresse der Firma. Der Lkw nahm einen Spurwechsel auf die mittlere Fahrbahn vor. Der Geschädigte musste aufgrund dessen auf die linke Spur ausweichen. Er verlor dabei die Kontrolle über seinen Pkw, kollidierte mit der linken Betonleitwand und überschlug sich. Der Pkw-Fahrer wurde dabei lebensgefährlich verletzt. Der Geschädigte ist seit dem Unfall pflegebedürftig.

Der Fahrer des Lkw hat zunächst auf dem Seitenstreifen gehalten. Dieser fuhr allerdings nach ca. 11 Minuten weiter. Feststellungen zu seiner Person konnten durch die schnelle Weiterfahrt nicht mehr gemacht werden. Der Unfallhergang wurde durch die am Unfallort installierte Verkehrsbeeinflussungsanlage auf Video aufgezeichnet. Das Kennzeichen des Lkw konnte darauf allerdings nicht identifiziert werden. Es konnte lediglich festgestellt werden, dass am Unfalltag insgesamt drei Lkw-Gliederzüge der Beklagten, einer italienischen Spedition, die A3 im Bereich der Unfallstelle befahren haben. Die Fahrer wurden entsprechend von der Polizei vernommen. Diese sagten jedoch gegenüber der Polizei aus, dass sie nicht an dem Unfall beteiligt gewesen waren.

Der Kläger, welcher Schadenersatz für den Geschädigten geltend macht, behauptete in dem Verfahren, dass der Unfall von einem Lkw der Beklagten verursacht wurde. Der Fahrer des Lkw hat scheinbar den Geschädigten übersehen. Der Kläger begehrt insoweit 50 % des erlittenen Schadens.
Das Landgericht wies die Klage jedoch ab, da der Kläger nicht beweisen konnte, dass der unfallbeteiligte Lkw zur Beklagten gehört.
Der Kläger legte daraufhin gegen das Urteil Berufung ein.

Die Berufung hatte Erfolg.

Der Kläger hat in seiner Berufung genügend Anhaltspunkte vorgetragen, die eine gewisse Wahrscheinlichkeit einer Haltereigenschaft der Beklagten nahelegen. Er hat zwar das amtliche Kennzeichen bedingt durch die schweren Verletzungen des Geschädigten sowie der Unfallflucht des Lkw-Fahrers nicht angeben können, allerdings ist aus der Videoaufzeichnung ersichtlich, dass der unfallbedingte Lkw die Firmenaufschrift der Beklagten trägt. Die Rückseite des unfallbeteiligten Lkw entspricht auch dem der Lkw-Flotte der Beklagten. Dieser Umstand hat insoweit eine zweitrangige Beweislast der Beklagten ausgelöst. Die Beklagte muss alles ihr Mögliche tun, um zumutbare Angaben zu dem Unfall machen zu können, von denen der Kläger jedenfalls keine Kenntnis haben kann. Ein einfaches Bestreiten der Behauptungen des Klägers durch die Beklagte ist daher nicht möglich.

Es ist der Beklagten zumutbar gewesen, dass sie in ihrem Geschäftsbetrieb nachforscht, um weitere Angaben zu den Umständen einer Unfallbeteiligung zu machen. Die Beklagte hätte auch insbesondere ihre weiteren Kenntnisse hinsichtlich der drei Lkw, welche unstreitig am Unfalltag im Bereich der Unfallstelle die Autobahn 3 befahren haben, mitteilen können.
Die Beklagte ist dieser Verpflichtung jedoch nicht in ausreichender Weise nachgekommen. Sie hat weder zum Fahrzeugtyp der drei Lkw vorgetragen noch Bilder oder Fahrtenschreiberdaten dem Gericht vorgelegt. Weiterhin hätte die Beklagte anhand der Mautdaten sowie auch der Daten aus dem Satellitensystem der verwendeten Automarken nachweisen können, welcher Lkw am Unfalltag die entsprechende Unfallstelle befahren hat.

Eine Sicherung der Daten durch die Beklagte fand ebenfalls nicht statt. Mit diesen Daten hätte die Beklagte sowohl die Zeiten der Fahrten, die Zeiten der Bereitstellung als auch die Ruhezeiten nachvollziehen können. Der unfallbeteiligte Lkw hatte nach dem Unfallgeschehen eine 11-minütige Pause gemacht. Des Weiteren hat die Beklagte auch nicht bestritten, dass der in dem Unfall verwickelte Lkw den Firmennamen sowie auch die Webadresse der Beklagten auf der hinteren Ladetür und der Frontscheibe getragen hat. Nach Ansicht des Gerichts ist es eher unwahrscheinlich, dass es eine wortgleiche Firma gibt, die auch die gleiche Webadresse nutzt.

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