16.12.2024 von Sven M. Bauer

Fahrgast-Haftung bei Busunfällen – Ein aktueller Fall

In unserem letzten Artikel (Link) haben wir geklärt, wer für Unfälle in Bussen haftet. In diesem Artikel geht es um einen Fall, in dem sich ein Gericht mit eben dieser Frage befasst hat. Das Amtsgericht München (Az. 338 C 15281/24) entschied am 18. Oktober 2024 über einen Fall, in dem ein 76-jähriger Fahrgast während einer plötzlichen Vollbremsung in einem Linienbus stürzte und daraufhin Schmerzensgeld forderte. Die zentrale Frage, die das Gericht klären musste, war, inwieweit der Fahrgast selbst für seine Sicherheit verantwortlich ist, wenn er in einem Bus steht.

 

Vorgeschichte und Klageerhebung

Der Kläger, ein älterer Herr mit Schwerbehindertenausweis, war am 11. April 2023 als Fahrgast in einem Bus unterwegs. Er stand mit einem Einkaufstrolley im Bus, als ein PKW kurz vor dem Bus die Fahrspur wechselte, was den Busfahrer zu einer plötzlichen Vollbremsung zwang. Der Kläger stürzte infolgedessen und erlitt Prellungen an der Brustwirbelsäule und dem Becken sowie eine Überdehnung des Daumensattelgelenks. Aufgrund dieser Verletzungen forderte er Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 Euro vom Fahrer des PKW sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten von den Beteiligten des Vorfalls.

 

In seiner Klage argumentierte der Kläger, dass der PKW-Fahrer schuldhaft gehandelt habe, indem er unvorsichtig die Spur gewechselt habe, was zu der gefährlichen Bremsung führte. Zudem behauptete er, der Bus sei mit unangemessener Geschwindigkeit auf die Ampel zugefahren. Der Kläger gab an, dass er aufgrund der Verletzungen vier Wochen lang unter Schmerzen litt und bis heute nicht beschwerdefrei sei.

 

Die Beklagten, der PKW-Fahrer und dessen Versicherung, wiesen jedoch jede Schuld von sich und argumentierten, dass der Fahrstreifenwechsel rechtzeitig angekündigt wurde und der Busfahrer ausreichend Abstand hatte, um sicher abzubremsen. Zudem wurde argumentiert, dass der Kläger sich im Bus keinen angemessenen Halt verschafft hatte, was letztlich zu seinem Sturz führte. Die Beklagten und die Streithelferin betonten, dass der Kläger selbst für seine Sicherheit verantwortlich sei, insbesondere da im Bus Sitzplätze frei waren, die er hätte nutzen können, um sich besser zu sichern.

 

Urteil des Amtsgerichts München

Das Amtsgericht München entschied zugunsten der Beklagten und wies die Klage des Klägers ab. Das Gericht erkannte zwar an, dass der Fahrstreifenwechsel des PKW-Fahrers zur heiklen Situation beigetragen hatte, sah jedoch die Hauptverantwortung beim Kläger selbst. Das Gericht stellte fest, dass jeder Fahrgast verpflichtet ist, sich im Fahrzeug einen festen Halt zu verschaffen, wie es § 14 Abs. 3 Nummer 4 der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen (BOKraft) vorsieht.

 

In der Urteilsbegründung wurde hervorgehoben, dass der Kläger, trotz seines Alters und seiner eingeschränkten Mobilität, die Möglichkeit gehabt hätte, sich hinzusetzen, da direkt hinter ihm ein Sitzplatz frei war. Das Video der Buskamera zeigte, dass der Kläger lediglich mit einer Hand einen Handlauf hielt und den Trolley in der anderen Hand behielt, was keinen ausreichenden Halt in der Bremssituation bot. Das Gericht betonte, dass im städtischen Verkehr jederzeit mit plötzlichen Bremsmanövern zu rechnen sei und der Kläger bereits durch ein vorheriges leichtes Bremsen des Busses hätte erkennen können, dass seine Position nicht sicher war.

 

Fazit

Die Entscheidung spiegelt wider, dass die Verantwortung für die eigene Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht allein den Fahrzeugführern obliegt. Fahrgäste müssen selbst darauf achten, sich angemessen zu sichern, besonders wenn ausreichend Sitzplätze vorhanden sind. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Anwaltskanzlei Bauer & Kollegen aus Brühl steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unser erfahrenes Team von Anwälten kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Verkehrsrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.

 

Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Fragen oder Anliegen sollten Sie sich an einen qualifizierten Rechtsanwalt wenden.

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Amtsgericht München vom 18. Oktober 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.




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