25.07.2025 von Sven M. Bauer
Verspätete Zielvorgaben und ihre Auswirkungen auf die variable Vergütung
Am 19. Februar 2025 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem interessanten Fall (Az.: 10 AZR 57/24) über die Schadensersatzpflicht eines Arbeitgebers, der es versäumt hatte, rechtzeitig Zielvorgaben für eine variable Vergütung festzulegen. Dieses Urteil beleuchtet die Bedeutung rechtzeitiger und klarer Zielvorgaben im Arbeitsverhältnis und die Konsequenzen, die sich aus deren Versäumnis ergeben können – erfahren Sie mehr im heutigen Blogbeitrag der Kanzlei Bauer und Kollegen!
Hintergrund: Verspätete Zielvorgabe und Vertragsbruch
Der Kläger, ein Arbeitnehmer mit Führungsverantwortung, war seit dem 18. Juli 2016 als Head of Advertising bei der Beklagten beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag sah ein Jahreszielgehalt von 102.125 Euro vor, das sich aus einem Fixgehalt von 71.488 Euro und einer variablen, erfolgsabhängigen Vergütung von 30.637 Euro zusammensetzte. Diese variable Vergütung war an das Erreichen bestimmter Unternehmens- und individueller Ziele geknüpft, die zu Beginn eines jeden Kalenderjahres festgelegt werden sollten.
Im Jahr 2019 kam es jedoch zu Problemen: Die Unternehmensziele wurden dem Kläger erst am 15. Oktober 2019 verbindlich mitgeteilt, und individuelle Ziele wurden ihm gar nicht vorgegeben. Dies war ein klarer Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung, die eine Zielvorgabe bis zum 1. März des Jahres vorsah. Der Kläger erhielt für das Jahr 2019 eine variable Vergütung von 15.586,55 Euro, was er als unzureichend ansah. Er klagte daher auf Zahlung weiterer 16.035,94 Euro als Schadensersatz.
Die Beklagte argumentierte, dass die Zielvorgabe rechtzeitig erfolgt sei und dass der Kläger auch bei früherer Zielvorgabe die Unternehmensziele nicht besser hätte erreichen können. Zudem sei der Kläger verpflichtet gewesen, auf die Festlegung der Ziele hinzuwirken.
BAG entscheidet: Schadensersatz für verspätete Zielvorgabe?
Das Bundesarbeitsgericht gab dem Kläger Recht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung des geforderten Schadensersatzes. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte ihre Verpflichtung zur rechtzeitigen Zielvorgabe schuldhaft verletzt hatte. Die verspätete Mitteilung der Unternehmensziele und das völlige Fehlen individueller Ziele führten dazu, dass die Zielvorgabe ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen konnte.
Das Gericht betonte, dass die Initiativlast für die Zielvorgabe allein beim Arbeitgeber liegt. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, den Arbeitgeber zur Festlegung der Ziele aufzufordern. Eine nachträgliche gerichtliche Leistungsbestimmung der Ziele sei ebenfalls ausgeschlossen, da die verspätete Zielvorgabe ihre Funktion nicht mehr erfüllen könne.
In Bezug auf die Schadenshöhe entschied das Gericht, dass der Kläger bei rechtzeitiger Zielvorgabe mit hoher Wahrscheinlichkeit die Unternehmensziele zu 100 % und die individuellen Ziele zu 142 % erreicht hätte. Dies basierte auf den durchschnittlichen Zielerreichungsgraden der vergangenen Jahre. Daher stand dem Kläger eine zusätzliche variable Vergütung von 16.035,94 Euro zu.
Fazit
Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung der rechtzeitigen und klaren Zielvorgabe im Arbeitsverhältnis. Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass sie ihre Verpflichtungen zur Zielvorgabe einhalten, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Arbeitnehmer hingegen können sich darauf verlassen, dass sie bei Versäumnissen des Arbeitgebers Anspruch auf Schadensersatz haben, wenn die jeweilige Zielvorgabe ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen kann.
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Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Fragen oder Anliegen sollten Sie sich an einen qualifizierten Rechtsanwalt wenden.
Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Februar 2025, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.