24.03.2025 von Sven M. Bauer

Verkehrsunfall mit alkoholisiertem Fußgänger – wer haftet?

Am 18. Dezember 2024 entschied das Oberlandesgericht Celle (Az.: 14 U 119/24) über die Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall, bei dem ein alkoholisierter Fußgänger ums Leben kam. Die Mutter des Verstorbenen klagte auf ein höheres Hinterbliebenengeld und die Erstattung weiterer Beerdigungskosten. Dieser Fall wirft interessante Fragen zur Haftung und zum Mitverschulden bei Verkehrsunfällen auf, insbesondere wenn Alkohol im Spiel ist.

 

Unfallhergang und Forderungen der Klägerin

Der Unfall ereignete sich am frühen Morgen des 11. Juli 2021 auf einer Landstraße außerhalb geschlossener Ortschaften. Der Sohn der Klägerin, der eine Blutalkoholkonzentration von über 2,0 Promille aufwies, überquerte die Fahrbahn und kollidierte mit einem Fahrzeug. Er verstarb noch am Unfallort. Das Strafverfahren gegen den Fahrzeugführer wurde gegen Zahlung einer Geldauflage von 1.200 Euro eingestellt.

 

Die Mutter des Verstorbenen, die Klägerin, forderte ein Hinterbliebenengeld von 12.000 Euro sowie 75% der Beerdigungskosten in Höhe von 7.226,16 Euro, was einem Betrag von 5.419,62 Euro entspricht. Sie argumentierte, dass der Fahrzeugführer den Unfall hätte vermeiden können, da es zum Unfallzeitpunkt bereits hell gewesen sei und die Straße durch eine Laterne beleuchtet wurde. Zudem trug ihr Sohn helle Kleidung, was seine Sichtbarkeit erhöht haben sollte.

 

Die Beklagten, der Fahrzeugführer und seine Versicherung, wiesen die Schuld von sich und beriefen sich auf ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten. Dieses Gutachten stellte fest, dass der Fahrer den Fußgänger erst aus einer Entfernung von 25 bis 30 Metern hätte erkennen können. Bei der gefahrenen Geschwindigkeit war eine Kollision zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu vermeiden. Die Beklagten argumentierten, dass der Fußgänger durch sein unvorsichtiges Verhalten die Hauptursache für den Unfall gesetzt habe.

 

Gerichtliche Bewertung der Haftungsfrage

Das Oberlandesgericht Celle bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Lüneburg, die eine Haftungsquote von einem Drittel zu Lasten des Autofahrers und zwei Dritteln zu Lasten des Fußgängers festgelegt hatte. Diese Verteilung basierte auf der Bewertung, dass der Fußgänger durch das unvorsichtige Betreten der Fahrbahn die Hauptursache für den Unfall gesetzt hatte. Den Autofahrer traf kein Verschuldensvorwurf, da er weder gegen das Sichtfahrgebot verstoßen noch unaufmerksam gehandelt hatte.

 

Das Gericht sprach der Mutter ein Hinterbliebenengeld von 3.333,33 Euro zu – ein Drittel der grundsätzlich als angemessen erachteten 10.000 Euro, entsprechend der Haftungsquote. Die Richter betonten dabei, dass das Hinterbliebenengeld nicht den Verlust eines Menschen aufwiegen kann, sondern lediglich eine symbolische Entschädigung für das erlittene seelische Leid darstellt.

 

In seiner Entscheidung stützte sich das Gericht maßgeblich auf das unfallanalytische Sachverständigengutachten. Dieses stellte fest, dass der Autofahrer den Fußgänger erst aus einer Entfernung von 25 bis 30 Metern hätte erkennen können. Bei seiner gefahrenen Geschwindigkeit war zu diesem Zeitpunkt eine Kollision nicht mehr zu vermeiden. Eine frühere Erkennbarkeit wurde trotz der von der Klägerin angeführten Faktoren wie Straßenbeleuchtung, Dämmerungslicht und heller Kleidung des Verstorbenen vom Sachverständigen ausgeschlossen.

 

Die Richter stellten klar, dass ein Autofahrer zwar grundsätzlich mit Fußgängern am Fahrbahnrand rechnen muss, jedoch nicht verpflichtet ist, seine Geschwindigkeit vorsorglich zu reduzieren, nur weil sich ein Fußweg neben der Straße befindet. Gleichzeitig betonten sie die besondere Sorgfaltspflicht von Fußgängern beim Überqueren einer Fahrbahn, da diese primär dem Fahrzeugverkehr dient.

 

Der Fall unterstreicht die komplexe Abwägung bei Verkehrsunfällen mit alkoholisierten Fußgängern. Während die Betriebsgefahr des Fahrzeugs eine gewisse Mithaftung des Autofahrers begründet, kann ein erhebliches Mitverschulden des Fußgängers durch verkehrswidriges Verhalten die Ersatzansprüche deutlich mindern.

 

Fazit

Für Hinterbliebene bedeutet dies, dass ihre Ansprüche deutlich gekürzt werden können, wenn der Verstorbene den Unfall wesentlich mitverschuldet hat – etwa durch Alkoholkonsum oder unvorsichtiges Verhalten im Straßenverkehr. Bei einer Schadensersatzforderung wird das Gericht immer das Verschulden beider Seiten gegeneinander abwägen. Selbst wenn der Autofahrer eine Mitschuld trägt, können Hinterbliebene bei überwiegendem Verschulden des Verstorbenen nur einen Teil der Kosten und des Hinterbliebenengeldes ersetzt bekommen.

 

Die Anwaltskanzlei Bauer & Kollegen aus Brühl steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unser erfahrenes Team von Anwälten kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Verkehrsrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.

 

Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Fragen oder Anliegen sollten Sie sich an einen qualifizierten Rechtsanwalt wenden.

 

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 18. Dezember 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.

 




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