29.10.2024 von Sven M. Bauer

Urteil zur COVID-19-Impfpflicht: Rechte und Pflichten in Pflegeeinrichtungen

In einem kürzlich gefällten Urteil des Bundesarbeitsgerichts unter dem Aktenzeichen 5 AZR 192/23 vom 19. Juni 2024 wurde über die Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Impfpflicht in Pflegeeinrichtungen entschieden. Der Fall betraf eine Altenpflegerin, die sich weigerte, einen Impfnachweis vorzulegen, und daraufhin von ihrem Arbeitgeber ohne Lohnzahlung freigestellt wurde. Ein zentrales Thema des Urteils war die Frage, ob der Arbeitgeber berechtigt war, die Angestellte freizustellen und ob eine Abmahnung wegen der Nichtvorlage des Impfnachweises gerechtfertigt war.

 

Die Einführung der Impfpflicht und die Reaktion der Klägerin

Die Klägerin war seit 2007 als Altenpflegerin in einem Altenpflegeheim in Baden-Württemberg beschäftigt. Im Rahmen der Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht im März 2022 forderte der Arbeitgeber die Klägerin auf, bis zum 15. März 2022 einen Nachweis über eine Impfung gegen COVID-19 oder einen Genesenennachweis vorzulegen. Die Klägerin legte jedoch keinen solchen Nachweis vor, da sie sich geweigert hatte, sich impfen zu lassen. Auch konnte sie keinen Genesenennachweis oder ein ärztliches Attest vorweisen. Daraufhin erteilte der Arbeitgeber der Klägerin am 17. März 2022 eine Abmahnung und stellte sie ohne Bezahlung von der Arbeit frei.

 

Die Klägerin forderte die Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte und die Zahlung der ausstehenden Vergütung für März 2022. Sie argumentierte, dass es keine arbeitsvertragliche Verpflichtung gebe, dem Arbeitgeber einen Impf- oder Genesenenstatus nachzuweisen. Auch argumentierte sie, dass sie als sogenannte Bestandsmitarbeiterin – also als bereits vor dem 15. März 2022 Beschäftigte – weiterhin hätte arbeiten dürfen, bis eine Untersagung durch die zuständige Behörde erfolgt wäre. Der Arbeitgeber hingegen berief sich auf die infektionsschutzrechtlichen Vorgaben und die Verantwortung, nur geimpftes oder genesenes Personal zu beschäftigen, um die vulnerablen Bewohner des Pflegeheims zu schützen.

 

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht urteilte, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Vergütung für die Zeit der Freistellung im März 2022 hat, da sie keinen Immunitätsnachweis vorgelegt hatte und somit außerstande war, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Die gesetzliche Regelung im Infektionsschutzgesetz sah vor, dass Personen, die in Pflegeeinrichtungen arbeiten, geimpft oder genesen sein müssen, um dort tätig zu sein. Da die Gesundheitsämter während der Pandemie stark ausgelastet waren, wurde Arbeitgebern das Recht eingeräumt, als Betreiber von Pflegeeinrichtungen die Vorlage eines Immunitätsnachweises zu verlangen. Somit war die Freistellung der Klägerin ohne Vergütung rechtens, da sie ohne den Nachweis nicht arbeitsfähig im Sinne des Gesetzes war.

 

Hinsichtlich der Abmahnung entschied das Gericht jedoch zugunsten der Klägerin. Es stellte fest, dass die unterlassene Vorlage eines Immunitätsnachweises keine abmahnfähige Pflichtverletzung darstellt, da die Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, in das Selbstbestimmungsrecht der Arbeitnehmer fällt und durch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit geschützt ist. Eine Abmahnung, die auf eine solche persönliche Entscheidung zielt, sei ungeeignet zur Verhaltenssteuerung und stelle eine unverhältnismäßige Druckausübung dar. Daher wurde die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin bestätigt.

 

Zusammenfassend zeigt dieses Urteil die Balance zwischen den Rechten und Pflichten der Arbeitnehmer in der Gesundheitsbranche während der COVID-19-Pandemie und den Maßnahmen, die Arbeitgeber ergreifen können, um den Schutz der ihnen anvertrauten Personen sicherzustellen.

 

Die Anwaltskanzlei Bauer & Kollegen aus Brühl steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unser erfahrenes Team von Anwälten kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Arbeitsrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.

 

Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Fragen oder Anliegen sollten Sie sich an einen qualifizierten Rechtsanwalt wenden.

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Juni 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.





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