22.06.2024 von Sven M. Bauer
Schulungsanspruch des Betriebsrats: Ein Blick auf ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Einführung in den Schulungsanspruch des Betriebsrats
Der Schulungsanspruch des Betriebsrats ist ein wesentliches Recht, das es den Mitgliedern ermöglicht, die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten für ihre Aufgaben zu erwerben. Ohne entsprechende Schulungen könnten Betriebsratsmitglieder ihre gesetzlichen Aufgaben und Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen. In unserem Artikel ersten Artikel zum Thema Schulungsanspruch des Betriebsrats (Link) haben wir die allgemeinen rechtlichen Grundlagen des Schulungsanspruchs gemäß dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) erläutert. Heute möchten wir auf ein konkretes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) eingehen, das die Rechte und Pflichten des Betriebsrats im Hinblick auf die Auswahl des Schulungsformats näher beleuchtet.
Fallübersicht
In einem aktuellen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 7. Februar 2024 (Aktenzeichen: 7 ABR 8/23) ging es um die Frage, ob ein Arbeitgeber die Übernachtungs- und Verpflegungskosten für eine Präsenzschulung übernehmen muss, wenn ein inhaltsgleiches Webinar angeboten wurde. Die Entscheidung des Gerichts ist für viele Betriebsräte relevant und gibt wichtige Hinweise zur Auslegung des Schulungsanspruchs.
Hintergrund des Falls
Die Arbeitgeberin, eine Fluggesellschaft, hatte zwei Mitglieder ihres Betriebsrats zu einer mehrtägigen betriebsverfassungsrechtlichen Grundlagenschulung nach Potsdam entsandt. Die Arbeitgeberin zahlte die Seminargebühr, verweigerte jedoch die Übernahme der Übernachtungs- und Verpflegungskosten. Begründet wurde dies mit der Möglichkeit, an einem zeit- und inhaltsgleichen Webinar teilzunehmen, das vom selben Schulungsanbieter angeboten wurde.
Die Argumente des Betriebsrats
Der Betriebsrat argumentierte, dass die Arbeitgeberin auch die Übernachtungs- und Verpflegungskosten zu tragen habe. Sie führte an, dass Präsenzschulungen qualitativ besser seien als Webinare. Konkret nannten sie folgende Punkte:
– Niedrigere Nettoschulungszeit: Bei Webinaren sei die tatsächliche Schulungszeit kürzer.
– Geringerer Lernerfolg: Die Erfahrung habe gezeigt, dass die virtuell vermittelten Inhalte nicht so intensiv behandelt würden.
– Kommunikationshürden: Der Austausch zwischen Teilnehmern und Referenten sei bei Online-Seminaren deutlich erschwert.
Der Betriebsrat betonte zudem, dass die Präferenz der zu schulenden Mitglieder für Präsenzveranstaltungen berücksichtigt werden dürfe. Schließlich entschied man sich für eine Schulung in Potsdam, die aus Sicht des Betriebsrats eine Kostenersparnis gegenüber einem anderen Seminarort bedeutete.
Die Argumente des Arbeitgebers
Die Arbeitgeberin vertrat die Ansicht, dass der Betriebsrat aus Kostengründen ein Webinar hätte wählen müssen. Sie argumentierte, dass der Lerneffekt bei Webinaren sogar höher sei, weil sich die Teilnehmer online eher trauten, Fragen zu stellen und sich auszutauschen. Zudem müsse der Betriebsrat in Anbetracht der pandemiebedingten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens die Schulungskosten auf das absolut Notwendige beschränken. Die Arbeitgeberin schlug daher vor, ein ortsnahes Seminar oder das Webinar zu wählen.
Entscheidung des Gerichts
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen zugunsten des Betriebsrats und wies die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin zurück. Die wesentlichen Gründe für diese Entscheidung waren:
Beurteilungsspielraum des Betriebsrats
Das Gericht stellte fest, dass der Betriebsrat bei der Auswahl der Schulungsformate einen Beurteilungsspielraum hat. Dieser umfasst auch die Entscheidung, ob eine Präsenzschulung oder ein Webinar bevorzugt wird. Der Betriebsrat durfte daher ihre Mitglieder zu einer Präsenzschulung entsenden, wenn sie dies für qualitativ besser erachtete.
Erforderlichkeit der Kosten
Das Gericht erklärte, dass die Übernachtungs- und Verpflegungskosten im Zusammenhang mit der Präsenzschulung in Potsdam als erforderlich anzusehen sind. Der Betriebsrat habe hinreichend begründet, warum ein Webinar nicht die gleiche Schulungsqualität bieten könne. Die Entscheidung des Betriebsrats, eine Präsenzschulung zu bevorzugen, sei im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums zulässig gewesen.
Verhältnismäßigkeit
Das Gericht betonte, dass die verursachten Mehrkosten im Verhältnis zum erwarteten Schulungserfolg nicht unangemessen seien. Der Betriebsrat hatte die Entscheidung getroffen, die Kosten auf das notwendige Maß zu beschränken und gleichzeitig die bestmögliche Schulungsqualität zu gewährleisten.
Fazit
Dieses Urteil des Bundesarbeitsgerichts unterstreicht die Bedeutung des Beurteilungsspielraums von Betriebsräten bei der Auswahl von Schulungsformaten. Arbeitgeber müssen die Kosten für erforderliche Schulungen, einschließlich Übernachtungs- und Verpflegungskosten, auch dann übernehmen, wenn ein kostengünstigeres Webinar angeboten wird, solange die Entscheidung für eine Präsenzveranstaltung im Beurteilungsspielraum des Betriebsrats liegt.
Für Betriebsräte ist es wichtig zu wissen, dass sie bei der Auswahl von Schulungen und Schulungsformaten einen gewissen Spielraum haben und nicht zwingend das kostengünstigste Angebot wählen müssen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie glaubhaft machen können, dass eine Präsenzschulung zu einem besseren Schulungserfolg führt.
Wenn Sie Fragen zum Schulungsanspruch des Betriebsrats oder zu anderen arbeitsrechtlichen Themen haben, steht Ihnen die Anwaltskanzlei Bauer & Kollegen aus Brühl gerne zur Verfügung. Unser erfahrenes Team unterstützt Sie gerne bei Ihren rechtlichen Anliegen.
Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 07. Februar 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.
Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Fragen oder Anliegen sollten Sie sich an einen qualifizierten Rechtsanwalt wenden.