14.01.2025 von Sven M. Bauer
Rechtsschutz für Mieter im Alter: Konflikte bei Modernisierung und Räumung
Am 22. Oktober 2024 entschied das Landgericht Berlin II (Az: 65 S 139/24) über die Räumungsklage einer Vermieterin gegen ihren 85-jährigen Mieter. Der Mieter sollte aufgrund geplanter Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten das Haus räumen. Die Vermieterin hatte ihm daraufhin fristlos, hilfsweise fristgemäß gekündigt. Erfahren Sie mehr über die gerichtliche Einschätzung dieses Sachverhalts und die Rechte von Mietern bei Modernisierungsmaßnahmen im heutigen Artikel der Anwaltskanzlei Bauer & Kollegen.
Hintergrund des Rechtsstreits: Räumungsklage gegen langjährigen Mieter
Der Beklagte lebt seit seiner Geburt in einem Reihenhaus in Berlin; seit Ende 1978 ist er offiziell Mieter. Die Klägerin, die Vermieterin, hatte das Mietverhältnis durch den Erwerb der Siedlung von der vorherigen Eigentümerin übernommen.
Im Juli 2018 kündigte die Vermieterin umfangreiche Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen an, die zu einer erheblichen Mieterhöhung führen sollten. Der Mieter wurde durch ein früheres Urteil des Landgerichts Berlin II zur Duldung dieser Maßnahmen und zur Gewährung des Zutritts für Handwerker verpflichtet. Zwischen Juli und September 2023 forderte die Vermieterin den Mieter mehrfach auf, das Haus zu räumen, da es während der Bauphase nicht bewohnbar sei. Der Mieter, unterstützt durch den Berliner Mieterverein, wies darauf hin, dass er nur zur Duldung und Zutrittsgewährung, nicht aber zur Räumung verpflichtet sei.
Die Vermieterin argumentierte, dass die geplanten Maßnahmen die Bewohnbarkeit des Hauses während der Bauphase unmöglich machten und bot dem Mieter Ersatzwohnungen an. Der Mieter lehnte dies ab und verwies auf seine gesundheitlichen Probleme, die durch den Sozialpsychiatrischen Dienst des Bezirksamtes Reinickendorf bestätigt wurden. Die Vermieterin hielt jedoch an ihrer Forderung fest und kündigte dem Mieter schließlich fristlos, hilfsweise fristgemäß, wegen angeblicher Verletzung der Duldungspflicht.
Gerichtliche Beurteilung: Schutz der Mieterrechte bei Modernisierungsmaßnahmen
Das Landgericht Berlin II entschied zugunsten des Mieters und wies die Räumungsklage ab. Das Gericht stellte fest, dass der Begriff der Duldung im Gesetz kein aktives Handeln, sondern nur ein passives Zulassen der Maßnahmen und die Gewährung von Zutritt umfasst. Der Mieter war daher nicht verpflichtet, das Haus zu räumen. Eine solche Verpflichtung käme nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht, etwa bei einem baufälligen Haus, was hier nicht der Fall war.
Das Gericht betonte, dass die Vermieterin nach dem vertraglichen Rücksichtnahmegebot verpflichtet war, bei der Planung und Durchführung der Baumaßnahmen auf die Belange des Mieters Rücksicht zu nehmen. Insbesondere bei einem Mieter, der das Alter von 80 Jahren deutlich überschritten hat und gesundheitlich beeinträchtigt ist, sei Rücksicht zu nehmen. Die Vermieterin hatte jedoch keine ausreichenden Gründe vorgelegt, die eine vorübergehende Räumung des Hauses rechtfertigten.
Das Gericht stellte zudem fest, dass die Vermieterin ihre Pflichten aus dem Mietverhältnis verletzt hatte, indem sie den Mieter zu Handlungen aufforderte, die nicht gesetzlich vorgeschrieben waren. Die Kündigung des Mietverhältnisses war daher unwirksam.
Fazit
Insgesamt verdeutlicht dieses Urteil die Rechte von Mietern bei Modernisierungsmaßnahmen und die Pflichten der Vermieter zur Rücksichtnahme. Es zeigt, dass Mieter nicht ohne weiteres zur Räumung ihrer Wohnung gezwungen werden können und dass Vermieter bei der Planung und Durchführung von Baumaßnahmen die individuellen Belange der Mieter berücksichtigen müssen.
Die Anwaltskanzlei Bauer & Kollegen aus Brühl steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unser erfahrenes Team von Anwälten kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Mietrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.
Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Fragen oder Anliegen sollten Sie sich an einen qualifizierten Rechtsanwalt wenden.
Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Landgerichts Berlin II vom 22. Oktober 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.