04.07.2025 von Sven M. Bauer
Recht auf Einsicht in Falldateien bei Geschwindigkeitsmessungen?
Am 4. März 2025 entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main über einen Fall (Az.: 2 ORbs 233/24), der die Einsichtsrechte von Bußgeldempfängern in Messunterlagen bei Geschwindigkeitsverstößen betraf. Der Beschluss des Gerichts gibt Aufschluss darüber, wie Betroffene und ihre Verteidiger Einsicht in die sogenannten Falldateien erhalten können, die bei Geschwindigkeitsmessungen erstellt werden. Erfahren Sie mehr über diesen Fall und die rechtlichen Implikationen im heutigen Blogartikel der Kanzlei Bauer und Kollegen aus Brühl.
Geschwindigkeitsverstoß und Rechtsbeschwerde: Der Hintergrund des Falls
Der Fall begann am 4. Januar 2024, als ein Autofahrer auf der A 643 in Fahrtrichtung Mainz statt der erlaubten 80 km/h nach Abzug der Toleranz mit 107 km/h gemessen wurde. Dies bedeutete eine Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit um 27 km/h. Aufgrund dieses Verstoßes wurde der Betroffene zu einem Bußgeld von 240 Euro verurteilt.
Der Betroffene war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und sein Verteidiger beantragte die Zulassung einer Rechtsbeschwerde. Ein zentraler Punkt der Beschwerde war die Forderung nach Überlassung der sogenannten Falldatei durch die Zentrale Bußgeldstelle in Kassel. Die Falldatei ist eine digitale Datei, die den amtlichen Messwert und das Messbild enthält und die Grundlage für Geschwindigkeitsvorwürfe bildet. Diese Datei ist verschlüsselt und kann nur mit einem speziellen Auswerteprogramm und den entsprechenden Schlüsseln entschlüsselt werden.
Der Verteidiger des Betroffenen argumentierte, dass die Überlassung der Falldatei notwendig sei, um die Richtigkeit der Messung überprüfen zu können. Er wies darauf hin, dass die Falldatei nicht Teil der Verfahrensakte sei und daher nicht automatisch zur Verfügung gestellt werde. Die Zentrale Bußgeldstelle in Kassel hielt jedoch dagegen, dass die Falldatei vor Ort eingesehen und mit dem vorgehaltenen Auswerteprogramm und den Schlüsseln ausgewertet werden könne. Alternativ könne eine ausgewertete Version der Falldatei auf eigene Kosten des Betroffenen angefordert werden.
Gerichtliche Klarstellung zur Einsicht in Falldateien
Das OLG Frankfurt am Main wies den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zurück. Der 2. Strafsenat des OLG stellte fest, dass die Rüge des Verteidigers prozessual unzureichend erhoben worden sei und daher unzulässig sei. Dennoch nahm das Gericht die Gelegenheit wahr, grundsätzlich darzulegen, wie in Hessen die Einsicht in die Falldateien geregelt ist.
Das Gericht stellte klar: Bei Geschwindigkeitsverstößen ist die sogenannte Falldatei das zentrale Beweismittel. In ihr sind der amtlich ermittelte Messwert sowie das zugehörige Messfoto gespeichert – beides verschlüsselt. Um diese Daten auszuwerten, wird ein zugelassenes Auswerteprogramm benötigt, zusammen mit den passenden Entschlüsselungsschlüsseln, die bei der Zentralen Bußgeldstelle in Kassel aufbewahrt werden.
Bevor ein Bußgeldbescheid erlassen wird, ist die Behörde verpflichtet, die Beweismittel auf ihre Belastbarkeit zu prüfen. Das geschieht durch Entschlüsselung und Auswertung der Falldatei. So entsteht eine lesbare Version mit Messwert und Bild. Diese Auswertung muss von allen Verfahrensbeteiligten jederzeit eigenständig wiederholt werden können, denn nur so ist sichergestellt, dass das Messergebnis nachvollziehbar bleibt.
Zugleich betonte das Gericht, dass der amtliche Messwert selbst technisch nicht vollständig überprüfbar sei. Seine Verlässlichkeit beruht auf dem Einsatz eines standardisierten Messverfahrens und eine spätere Kontrolle ist daher nur eingeschränkt möglich.
Wichtig ist für Betroffene: Auch ohne einen Verteidiger dürfen sie ihre Rechte im Bußgeldverfahren selbst wahrnehmen. Wer Einsicht in die Falldatei nehmen will, kann bei der Bußgeldbehörde nach Terminvereinbarung die unbearbeitete Datei einsehen und selbst analysieren. Alternativ ist es möglich, sich eine bereits ausgewertete Datei auf eigene Kosten zuschicken zu lassen. Für Verteidiger gelten diese Regelungen entsprechend, wobei die unbearbeitete Falldatei nicht Teil der offiziellen Verfahrensakte ist.
Abschließend machte das Gericht deutlich, dass die Auswertung der Falldatei vor der Hauptverhandlung erfolgen muss. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, die Messung von sich aus zu überprüfen – es sei denn, es gibt konkrete Hinweise auf Fehler. Grundsätzlich gilt: Der Messwert, der mit einem standardisierten Verfahren ermittelt wurde, wird als technisch korrekt angesehen.
Fazit
Das Urteil des OLG Frankfurt am Main verdeutlicht die Rechte und Pflichten von Bußgeldempfängern und ihren Verteidigern im Zusammenhang mit der Einsicht in Falldateien bei Geschwindigkeitsverstößen. Es zeigt, dass die Bußgeldbehörden verpflichtet sind, die notwendigen Beweismittel und Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, um eine eigenständige Überprüfung der Messungen zu ermöglichen. Gleichzeitig wird klargestellt, dass der amtliche Messwert selbst nicht rückführbar ist und seine Richtigkeit durch das standardisierte Messverfahren garantiert wird.
Die Anwaltskanzlei Bauer & Kollegen aus Brühl steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unser erfahrenes Team von Anwälten kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Verkehrsrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.
Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Fragen oder Anliegen sollten Sie sich an einen qualifizierten Rechtsanwalt wenden.
Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Oberlandesgericht Frankfurt am Main vom 4. März 2025, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.