20.06.2025 von Sven M. Bauer

Pflichten des Rechtsanwalts bei Fristenkontrolle: Entscheidung des BAG

Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Az.: 6 AZR 155/23) vom 20. Februar 2025 sorgt für Klarheit, wie Rechtsanwälte ihre Kontrollpflichten bei der Überwachung von Fristen im Arbeitsrecht wahrnehmen müssen. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Sorgfalt ein Anwalt bei der Prüfung und Organisation von Fristen aufbringen muss – und wann er sich auf die Arbeit seiner Mitarbeiter verlassen darf. Erfahren Sie mehr über die Hintergründe des Falles und die Entscheidung des BAG zur Fristenkontrolle in diesem Blogartikel der Kanzlei Bauer und Kollegen aus Brühl.

 

Was war der Ausgangsfall?

Inhaltlich ging es um einen Gymnasiallehrer, der von seinem kirchlichen Arbeitgeber die Erstattung seiner Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung verlangte. Das Arbeitsverhältnis unterlag Sonderregelungen, die eine Altersgrenze für die Übernahme der Beiträge vorsahen. Der Lehrer argumentierte, diese Altersgrenze sei eine unzulässige Diskriminierung und verstoße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

 

Im Verlauf des Rechtsstreits wurden die Vorinstanzen durchlaufen. Nachdem das Landesarbeitsgericht das Urteil zugestellt hatte, hätte die Revisionsbegründung innerhalb einer bestimmten Frist beim Bundesarbeitsgericht eingereicht werden müssen. Diese Frist wurde jedoch versäumt – wegen eines Fehlers bei der Eintragung im Fristenkalender der Kanzlei. Die Kanzleimitarbeiterin hatte das falsche Datum notiert, obwohl sie die Frist auf dem Urteilsausdruck korrekt berechnet und vom Anwalt abzeichnen lassen hatte.

 

Wann ist ein Fristversäumnis verschuldet? BAG schafft Klarheit

Das Bundesarbeitsgericht musste entscheiden, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Grundsätzlich gilt: Versäumt ein Rechtsanwalt eine Frist, gilt das als Verschulden der Partei. Anders sieht es aus, wenn der Fehler auf das Verhalten von Büropersonal zurückgeht – vorausgesetzt, der Anwalt hat seine Kanzlei ordnungsgemäß organisiert, zuverlässiges Personal ausgewählt und dieses ausreichend überwacht.

 

Das Gericht stellte klar, dass Rechtsanwälte alles ihnen Zumutbare tun müssen, um Fristen zuverlässig zu überwachen. Die Berechnung und Eintragung von Fristen kann einer gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Bürokraft übertragen werden. Der Anwalt muss aber geeignete organisatorische Maßnahmen treffen, damit die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Dazu gehört insbesondere, dass die Fristen in der Handakte notiert werden und dass diese erkennen lässt, ob die Fristen im Fristenkalender eingetragen wurden.

 

Der Rechtsanwalt muss die Fristen eigenverantwortlich prüfen, wenn ihm die Akten zur Bearbeitung vorgelegt werden. Dabei darf er sich grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränken, solange ihm keine Zweifel an deren Richtigkeit auffallen. Eine zusätzliche Kontrolle des Fristenkalenders ist nicht erforderlich, solange keine Anhaltspunkte für einen Fehler bestehen. Andernfalls wäre die Einschaltung von Bürokräften in die Fristenüberwachung weitgehend sinnlos, obwohl sie aus organisatorischen Gründen notwendig und zulässig ist.

 

Das Urteil bestätigt, dass Rechtsanwälte ihre Organisations- und Kontrollpflichten ernst nehmen müssen. Sie dürfen sich auf zuverlässige Mitarbeiter verlassen, müssen aber durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass Fristen korrekt berechnet und überwacht werden. Ein einfaches „Abhaken“ der Fristen in der Handakte reicht aus, solange keine Zweifel an der Richtigkeit bestehen. Eine weitergehende Kontrolle des Fristenkalenders ist nicht erforderlich.

 

Dem Antrag auf Wieder­ein­setzung in den vorigen Stand in Bezug auf die versäumte Revisi­ons­be­grün­dungsfrist wurde schließlich stattgegeben.

Fazit: Rechtssicherheit und faire Verfahren

Das Bundesarbeitsgericht schützt mit dieser Entscheidung das Vertrauen der Parteien in die ordnungsgemäße Organisation der Kanzlei und gewährleistet faire Verfahren. Rechtsanwälte müssen ihre Pflichten bei der Fristenkontrolle sorgfältig wahrnehmen, dürfen sich aber auf ihre Mitarbeiter verlassen, wenn sie diese ordnungsgemäß anleiten und überwachen.

 

Die Anwaltskanzlei Bauer & Kollegen aus Brühl steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unser erfahrenes Team von Anwälten kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Arbeitsrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.

 

Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Fragen oder Anliegen sollten Sie sich an einen qualifizierten Rechtsanwalt wenden.

 

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Februar 2025, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.




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