20.04.2025 von Sven M. Bauer

Kündigung am Ende der Legislaturperiode: Rechtmäßigkeit hinterfragt

Am 26. September 2024 entschied das Landesarbeitsgericht München über die Rechtmäßigkeit der Kündigung eines Fraktionsmitarbeiters im Bayerischen Landtag. Das Urteil (Aktenzeichen: 3 SLa 46/24) befasste sich mit der Frage, ob die betriebsbedingte Kündigung eines unbefristet angestellten Mitarbeiters zum Ende der Legislaturperiode rechtmäßig ist. In diesem Blogartikel der Kanzlei Bauer & Kollegen finden Sie interessante Einblicke in die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen für Mitarbeiter politischer Fraktionen und die Anwendung des Grundsatzes der Diskontinuität.

 

Historie und Hintergründe des Falles

Der Kläger, ein Dipl.-Handelslehrer und Dipl.-Ökonom, war seit 2019 unbefristet bei der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag als Referent für die Bereiche Bildung und Fragen des öffentlichen Dienstes beschäftigt. Seine Aufgaben umfassten unter anderem die Ausschussrecherche und -vorbereitung, die Vorbereitung von Reden, die Bearbeitung von Bürgeranliegen sowie die Medienkommunikation. Für diese Tätigkeiten erhielt er eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt durchschnittlich 6.066 Euro.

 

Im Sommer 2023, kurz vor den Landtagswahlen, kündigte die Fraktion dem Kläger mit der Begründung, dass sich die Fraktion mit dem Beginn der neuen Legislaturperiode auflösen werde. Diese Entscheidung basierte auf dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Diskontinuität, der besagt, dass die bisherige Fraktion mit dem Ende der Legislaturperiode aufhört zu existieren. Die Arbeitgeberin argumentierte, dass der Arbeitsplatz des Klägers ersatzlos und dauerhaft wegfalle, da die neue Fraktion das Recht habe, ihre politischen Ziele und damit auch ihre personelle Zusammensetzung neu festzulegen.

 

Der Betriebsrat der Fraktion wurde am 6. September 2023 über die beabsichtigte Kündigung informiert und äußerte keine Einwände. Daraufhin erhielt der Kläger am 18. September 2023 die ordentliche Kündigung zum 31. Oktober 2023. Auch die anderen unbefristet und befristet beschäftigten Mitarbeiter der Fraktion erhielten Kündigungen. Nach den Landtagswahlen am 8. Oktober 2023, bei denen die AfD 14,6% der Stimmen und 32 von 203 Mandaten erhielt, konstituierte sich die neue Fraktion am 23. Oktober 2023. Der Kläger wurde jedoch nicht wieder beschäftigt, obwohl die neue Fraktion Stellen für Fachreferenten ausschrieb. 

 

Der Kläger erhob daraufhin Kündigungsschutzklage und argumentierte, dass sein Arbeitsplatz nicht weggefallen sei, da die von ihm erbrachten Tätigkeiten auch in der neuen Legislaturperiode anfallen würden. Zudem bestritt er die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung.

 

Gerichtliche Feststellungen und Urteil

Das Landesarbeitsgericht München entschied zugunsten des Klägers und stellte fest, dass die Kündigung unwirksam sei. Die Begründung des Gerichts war vielschichtig und umfasste mehrere Aspekte.

 

Zunächst stellte das Gericht fest, dass der Grundsatz der Diskontinuität zwar besagt, dass die bisherige Fraktion mit dem Ende der Legislaturperiode aufhört zu existieren, dies jedoch nicht automatisch zum Entfall des Beschäftigungsbedarfs führt. Die neue Fraktion habe einen mindestens so großen Bedarf an Arbeitskräften wie die bisherige Fraktion, was durch die Ausschreibung neuer Stellen belegt sei.

 

Das Gericht argumentierte weiter, dass die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt sei, da die Beklagte nicht ausreichend dargelegt habe, dass die Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers tatsächlich entfallen sei. Die Prognose, dass die neue Fraktion keinen Bedarf an den Tätigkeiten des Klägers habe, sei nicht hinreichend sicher gewesen. Zudem sei die Entscheidung zur Auflösung der Fraktion erst am 23. Oktober 2023 und damit nach der Kündigung getroffen worden.

 

Ein weiterer wichtiger Punkt war die fehlerhafte Betriebsratsanhörung. Das Gericht stellte fest, dass der Betriebsrat unzureichend und teilweise falsch über die Kündigungsgründe informiert worden sei. Dies führte ebenfalls zur Unwirksamkeit der Kündigung. Abschließend stellte das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers über den 31. Oktober 2023 hinaus fortbestehe, da kein weiterer Beendigungstatbestand vorliege.

 

Fazit

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts München zeigt, dass die Kündigung eines Fraktionsmitarbeiters zum Ende einer Legislaturperiode nicht automatisch gerechtfertigt ist. Arbeitgeber müssen sorgfältig prüfen und darlegen, dass der Arbeitsplatz tatsächlich entfällt und die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Zudem ist eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung unerlässlich. Dieses Urteil bietet wertvolle Einblicke für alle, die in ähnlichen Positionen tätig sind oder sich mit arbeitsrechtlichen Fragen im politischen Umfeld auseinandersetzen müssen.

 

Die Anwaltskanzlei Bauer & Kollegen aus Brühl steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unser erfahrenes Team von Anwälten kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Arbeitsrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.

Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Fragen oder Anliegen sollten Sie sich an einen qualifizierten Rechtsanwalt wenden.

 

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Landesarbeitsgericht München vom 26. September 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.




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