16.06.2017 von Bianca Dlugosch

Kfz-Fachwerkstatt muss Rückrufaktion kennen

OLG Hamm, Urteil vom 08.02.2017 – 12 U 101/16

Das Oberlandesgericht Hamm hat mit seinem Urteil darüber entschieden, dass eine Kfz-Fachwerkstatt auch bei sogenannten „Grauimporten“ (wie z. B. EU-Reimport eines Kfz) die Rückrufaktionen des Herstellers bzgl. der von ihr betreuten Kfz-Modelle kennen muss. Die Kunden sind bei beauftragten Inspektionsarbeiten auf eine für die Verkehrssicherheit des jeweiligen Fahrzeuges bedeutsame Rückrufaktion sowie die damit verbundenen Reparaturen hinzuweisen. Das Urteil ist zurzeit noch nicht rechtskräftig, die Revision ist beim BGH unter dem Az. VII ZR 51/17 anhängig.

Der Sachverhalt beinhaltet Folgendes:

Die Klägerin (Unternehmen aus Bochum) ist Eigentümerin eines im Oktober 2010 erworbenen Kfz Dodge Ram Truck 1500. Für das in den USA hergestellte und im Wege eines sogenannten „Grauimports“ eingeführte Fahrzeug existieren in Deutschland kein autorisiertes Händlernetz sowie keine Niederlassungen der Herstellerin. Die Beklagte betreibt eine Kfz-Fachwerkstatt und wirbt für sich als autorisierte Service-Fachwerkstatt für Kraftfahrzeuge der Marke Dodge.

Die Klägerin ließ im Oktober 2013 bei der Beklagten Reparatur- und Wartungsarbeiten an ihrem Fahrzeug vornehmen. Ab Februar 2013 fand eine Rückrufaktion des Herstellers Chrysler Dodge statt, die auch die Baureihe des klägerischen Fahrzeugs betraf. Instand zu setzen war eine nicht ausreichend gesicherte Mutter im Getrieberad der Hinterachse. Die Klägerin hat seinerzeit hierüber keine Mitteilung des Herstellers erhalten, da es sich um einen Grauimport handelte. Bei den durch die Beklagte durchgeführten Inspektionsarbeiten sind sodann keinerlei angewiesene Instandsetzungsarbeiten, welche von der Herstellerin im Rahmen der Rückrufaktion mitgeteilt wurden, erfolgt. Da hier die Mutter im Getrieberad der Hinterachse nicht zusätzlich gesichert wurde, erlitt das Fahrzeug der Klägerin im April 2014 erhebliche Beschädigungen, da die Hinterachse während der Fahrt blockierte. Der Schaden wäre bei ordnungsgemäßer und auch empfohlener Durchführung der Instandsetzungsarbeiten nicht entstanden.

Den Fahrzeugschaden in Höhe von ca. 6.800 € begehrte die Klägerin von der Beklagten im Wege des Klageverfahrens. Diese führte dazu aus, dass die Beklagte sich über die Rückrufaktion der Herstellerin hätte informieren und anschließend über diesen Umstand der Klägerin berichten müssen. Die Beklagte teilte daraufhin mit, die Klägerin müsse sich selbst über Rückrufaktionen der Herstellerin informieren. Die Beklagte als Kfz-Werkstatt hätte insoweit keine Überprüfungspflichten hinsichtlich einer Rückrufaktion eines Herstellers.

Der Schadenersatzanspruch der Klägerin war erfolgreich. Die Beklagte ist gemäß Urteil des OLG Hamm mit der Inspektion des klägerischen Fahrzeuges beauftragt gewesen. Das Fahrzeug war insoweit für die nächste Zeit durch die Beklagte gebrauchs- und fahrbereit gemacht werden müssen. Durch die erfolgte Beauftragung hat die Beklagte die Klägerin über Rückrufaktionen sowie die damit einhergehenden Reparaturen informieren müssen.

Als Fachwerkstatt habe sie sich unter Ausnutzen zumutbarer Informationsquellen, wie etwa der Internetseite des Herstellers, über verkehrssicherheitsrelevante Rückrufaktionen informieren müssen. Die Klägerin habe zu Recht angenommen, dass die Beklagte über alle notwendigen Kenntnisse hinsichtlich der Verkehrs- und Betriebssicherheit der Dodge-Fahrzeuge verfügt bzw. sich diese vor der Durchführung der Inspektionsarbeiten verschafft.

Dass das Fahrzeug der Klägerin ein sogenannter „Grauimport“ gewesen sei, wusste die Beklagte zum Zeitpunkt der Inspektionsarbeiten. Dies ändert jedoch nichts an ihren Informationspflichten. Die Beklagte bewirbt ihr Unternehmen als autorisierte Service-Fachwerkstatt für Fahrzeuge der Marke Dodge, ohne dies auf in Deutschland vertriebene oder offiziell importierte Fahrzeuge zu beschränken. „Grau“ importierte Fahrzeuge benötigten auch keine weniger effektive Fehlerkontrolle als reguläre Fahrzeuge. Bei „Grauimporten“ informiert der Hersteller den Halter zudem nicht über erfolgte Rückrufaktionen. Auch deswegen hat sich im vorliegenden Fall die Beklagte als Fachwerkstatt zu informieren. Aufgrund des unterlassenen Hinweises auf die Rückrufaktion und die gebotenen Reparaturen ist der Klägerin der geltend gemachte Schaden entstanden. Diesen hat die Beklagte der Klägerin zu ersetzen.

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