27.08.2024 von Sven M. Bauer
Kein Anspruch auf Corona-Entschädigung für Ordensschwester mit Gestellungsvertrag
Am 29. Januar 2024 entschied das Verwaltungsgericht Düsseldorf über einen interessanten Fall mit dem Aktenzeichen 29 K 910/22. Der Caritasverband Düsseldorf hatte eine Entschädigungszahlung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) für eine Ordensschwester beantragt, die aufgrund einer behördlichen Quarantäneanordnung während der Corona-Pandemie nicht arbeiten konnte. Das Gericht wies die Klage jedoch ab, da ein Verdienstausfall im Sinne des IfSG nicht vorlag. In diesem Blogartikel informiert die Kanzlei Bauer & Kollegen aus Brühl über den Fall aus dem Arbeitsrecht.
Details zur Anstellung der Ordensschwester und zur Quarantäne
Frau T., die Ordensschwester, ist seit dem Jahr 2010 im Rahmen eines sogenannten Gestellungsvertrags zwischen ihrer Ordensgemeinschaft und dem Caritasverband Düsseldorf als Pflegehilfskraft tätig. Ein Gestellungsvertrag ist ein spezielles Vertragsverhältnis, bei dem die Ordensgemeinschaft ihre Mitglieder zur Arbeit an externe Einrichtungen „verleiht“. Diese arbeiten dort, ohne selbst ein Arbeitsentgelt zu erhalten. Stattdessen zahlt die externe Einrichtung, in diesem Fall der Caritasverband, eine Vergütung an die Ordensgemeinschaft, die sogenannte Gestellungsvergütung.
Die Ordensschwester erhält von ihrer Ordensgemeinschaft keine direkte Bezahlung für ihre Arbeit. Stattdessen gewährt ihr die Gemeinschaft Unterkunft, Verpflegung, Bekleidung, ärztliche Versorgung und Altersvorsorge. Im Jahr 2020 betrug die monatliche Gestellungsvergütung des Caritasverbands an die Ordensgemeinschaft 3.745,41 Euro.
Im Juli und Oktober 2020 wurde Frau T. aufgrund der Corona-Pandemie insgesamt 29 Tage unter häusliche Quarantäne gestellt. Der Caritasverband beantragte daraufhin eine Entschädigung in Höhe von 3.447,26 Euro gemäß § 56 IfSG, der eine Entschädigung für Verdienstausfall bei Tätigkeitsverboten und Quarantäneanordnungen vorsieht.
Der Caritasverband argumentierte, dass die Ordensgemeinschaft durch die Quarantäneanordnungen einen Verdienstausfall erlitten habe, da sie das Gestellungsgeld nicht für die Zeit der Quarantäne erhalten würde. Der Verband führte weiterhin an, dass die Ordensschwester wie andere Arbeitnehmer arbeite und der Quarantäneausfall somit materielle Auswirkungen auf die Ordensgemeinschaft habe.
Gerichtliche Begründung zur Abweisung der Klage
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf lehnte die Klage ab und führte aus, dass kein Verdienstausfall im Sinne des IfSG vorläge. Das IfSG sieht eine Entschädigung nur vor, wenn der betroffene Arbeitnehmer oder Selbstständige einen direkten Verdienstausfall erleidet. Da die Ordensschwester kein Arbeitsentgelt von der Ordensgemeinschaft oder dem Caritasverband erhält, konnte kein Verdienstausfall geltend gemacht werden.
Das Gericht betonte, dass die Gestellungsvergütung, die der Caritasverband an die Ordensgemeinschaft zahlt, nicht als Arbeitsentgelt für die Ordensschwester angesehen werden kann. Diese Vergütung ist eine Zahlung an die Ordensgemeinschaft und nicht an die Ordensschwester selbst. Die Ordensgemeinschaft ist nicht verpflichtet, diese Vergütung direkt oder in voller Höhe an ihre Mitglieder weiterzuleiten.
Weiterhin stellte das Gericht klar, dass die Mitgliedschaft der Ordensschwester in der Ordensgemeinschaft eine besondere Beziehung darstellt, die sich durch religiöse und karitative Motive auszeichnet und auf die staatliches Arbeitsrecht nicht anwendbar ist. Die Ordensschwester erhält ihre Versorgung und Unterbringung unabhängig von ihrer Tätigkeit beim Caritasverband. Diese Sachbezüge sind somit nicht an eine konkrete Arbeitsleistung geknüpft und stellen keinen „Lohn“ dar, der durch eine Quarantäne entfallen könnte.
Auch argumentierte das Gericht, dass ein bei der Ordensgemeinschaft selbst entstandener Entschädigungsanspruch nicht gegeben sei. Das IfSG sieht Entschädigungen nur für natürliche Personen vor, die direkt von einer Quarantäneanordnung betroffen sind. Eine Ordensgemeinschaft als juristische Person fällt nicht unter diese Regelung.
Schließlich lehnte das Gericht auch eine analoge Anwendung des IfSG ab, da keine planwidrige Lücke im Gesetz vorläge. Der Gesetzgeber habe bewusst entschieden, dass nur bestimmte Personenkreise Anspruch auf Entschädigung haben, und dies schließe Ordensgemeinschaften und deren Mitglieder in Gestellung nicht ein.
Diese Entscheidung verdeutlicht die strikte Anwendung des IfSG und die klare Abgrenzung, welche Personengruppen Anspruch auf Entschädigung haben und welche nicht. Für betroffene Ordensgemeinschaften und ähnliche Einrichtungen ist dies eine relevante Information, die bei (eventuellen) zukünftigen Entschädigungsanträgen berücksichtigt werden sollte.
Die Anwaltskanzlei Bauer & Kollegen aus Brühl steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unsere Kanzlei kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Arbeitsrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.
Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Wenn Sie spezifische Fragen oder Anliegen haben, wenden Sie sich bitte an einen qualifizierten Rechtsanwalt.
Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 29. Januar 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.