08.05.2024 von Bianca Dlugosch
Europäischer Gerichtshof prüft: Kündigung wegen Kirchenaustritt – ein Verstoß gegen Europarecht?
Im Fokus des heutigen Blogartikels der Anwaltskanzlei Bauer & Kollegen Brühl steht ein Fall, der das Bundesarbeitsgericht (BAG) beschäftigte und nun vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) liegt. Das Aktenzeichen lautet 2 AZR 196/22 (A), Datum 01.02.2024. Es geht um die Frage, ob die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund des Austritts aus der katholischen Kirche mit dem Europarecht vereinbar ist.
Fallhintergrund
Die Klägerin, eine Sozialpädagogin, war bei der Caritas in der Schwangerschaftsberatung tätig. Während ihrer Elternzeit trat sie aus der katholischen Kirche aus, unter anderem aufgrund eines besonderen Kirchgeldes, das von der Diözese erhoben wurde. Die Caritas kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit der Begründung, dass der Kirchenaustritt eine erhebliche Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten darstelle. Die Klägerin argumentierte, ihre christlichen Werte lebe sie weiter und verwies darauf, dass in der Schwangerschaftsberatung auch evangelische Mitarbeiterinnen beschäftigt seien, was die Frage aufwirft, warum ihr Verbleib in der katholischen Kirche eine Bedingung für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sein sollte.
Die besondere Brisanz des Falles liegt in der Frage, wie “öffentlich” ein Kirchenaustritt ist und ob die Kündigung aufgrund eines solchen Austritts als Diskriminierung wegen der Religion zu werten ist. Vor dem BAG argumentierte die Vertretung der Klägerin, dass es sich beim Kirchenaustritt um einen stillen Akt gegenüber der Verwaltung handle, der nicht als öffentliche Abkehr von der Kirche zu verstehen sei. Die Caritas hingegen sah im Kirchenaustritt eine bewusste Abwendung von der Kirche, die es rechtfertige, das Arbeitsverhältnis zu beenden.
Entscheidung des Gerichts
Das BAG sah in diesem Fall Klärungsbedarf bezüglich der Vereinbarkeit mit dem Europarecht und legte die Grundsatzfrage dem EuGH vor. Es geht insbesondere um die Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf im Licht der Grundrechtecharta der Europäischen Union. Im Kern stehen zwei Fragen (sinngemäß):
1. Ob es mit Unionsrecht vereinbar ist, dass eine private Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen beruht, von ihren Mitarbeitern verlangen kann, während des Arbeitsverhältnisses nicht aus der Kirche auszutreten bzw. nach einem Austritt wieder einzutreten? Insbesondere wenn von den Mitarbeitern ansonsten nicht verlangt wird, dieser Kirche anzugehören und die aus der Kirche ausgetretene Person sich nicht öffentlich wahrnehmbar kirchenfeindlich betätigt?
2. Sollte die erste Frage bejaht werden, wie kann so eine Ungleichbehandlung aufgrund der Religion gerechtfertigt sein?
Das Verfahren ist bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt. Die Vorlage an den EuGH unterstreicht die Bedeutung dieses Falles bezüglich der Balance zwischen der Autonomie religiöser Organisationen und dem Diskriminierungsschutz der Arbeitnehmer.
Die Anwaltskanzlei Bauer & Kollegen aus Brühl steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unser erfahrenes Team von Anwälten kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieses Urteils aus dem Arbeitsrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.
Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Fragen oder Anliegen sollten Sie sich an einen qualifizierten Rechtsanwalt wenden.
Quelle: Veröffentlichung des Bundesarbeitsgericht vom 01.02.2024, oder: Direktlink zur Veröffentlichung des Gerichtes.