21.02.2025 von Sven M. Bauer

Eigenbedarfskündigung bei DDR-Altmietverträgen: Entscheidung des BG

Am 13. November 2024 hat der Bundesgerichtshof (BGH) (Aktenzeichen: VIII ZR 15/23) eine Entscheidung zur Kündigung eines DDR-Altmietvertrags wegen Eigenbedarfs getroffen. Der Fall wirft ein Licht auf die rechtlichen Herausforderungen, die sich aus der Überleitung von Mietverträgen aus der Zeit der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in das bundesdeutsche Rechtssystem ergeben. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob ein Vermieter einen DDR-Altmietvertrag nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) kündigen kann, obwohl der ursprüngliche Vertrag auf die Regelungen des Zivilgesetzbuchs der DDR (ZGB-DDR) Bezug nimmt.

 

Historischer Kontext und Vertragsbedingungen

Die Beklagten in diesem Fall sind Mieter einer Dreizimmerwohnung im früheren Ost-Berlin. Sie hatten den Mietvertrag im Juli 1990, also noch vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland, mit dem Volkseigenen Betrieb (VEB) kommunale Wohnungsverwaltung Prenzlauer Berg geschlossen. Der Vertrag war auf unbestimmte Zeit angelegt und enthielt spezifische Regelungen zur Beendigung des Mietverhältnisses, die auf das ZGB-DDR Bezug nahmen. Demnach konnte das Mietverhältnis nur durch Vereinbarung der Vertragspartner, durch Kündigung seitens des Mieters oder durch gerichtliche Aufhebung beendet werden.

 

Der Kläger, der durch Eigentumserwerb in das Mietverhältnis eingetreten war, erklärte im Jahr 2020 und erneut im Jahr 2022 die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs. Der Kläger selbst wohnte zur Miete und begründete seinen Eigenbedarf unter anderem mit der besseren Ausstattung und Lage der Wohnung sowie mit Zukunfts- und Existenzängsten, die ihn dazu veranlassten, die eigene Mietzahlungspflicht zu beenden.

 

Das Amtsgericht gab der Klage des Vermieters statt und ordnete die Räumung und Herausgabe der Wohnung an. Die Beklagten legten Berufung ein, und das Landgericht änderte das erstinstanzliche Urteil ab und wies die Ursprungsklage ab. Das Landgericht argumentierte, dass die im Mietvertrag enthaltene Regelung zur Vertragsbeendigung weiterhin gültig sei und eine Eigenbedarfskündigung des Vermieters nur unter der Voraussetzung möglich sei, dass der Vermieter die Wohnung aus gesellschaftlich gerechtfertigten Gründen „dringend“ benötige. Diese verschärfte Kündigungsvoraussetzung sah das Landgericht als nicht erfüllt an.

 

Rechtliche Bewertung und Rückverweisung zur erneuten Verhandlung

Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Der BGH stellte klar, dass die Voraussetzungen für eine Eigenbedarfskündigung eines DDR-Altmietvertrags seit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu beurteilen sind. Das bedeutet, dass der vom Kläger geltend gemachte Eigenbedarf anhand der Vorschrift des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu prüfen ist. Diese Vorschrift besagt, dass ein Vermieter kündigen kann, wenn er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.

 

Der BGH betonte, dass die speziellen gesetzlichen Regelungen, die im Zusammenhang mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland getroffen wurden, eine vollständige und abschließende Regelung der Befugnis des Vermieters zur Beendigung eines bestehenden Wohnraummietvertrags gegen den Willen des Mieters darstellen. Diese Regelungen sollten die Überleitung der bestehenden Mietverträge in das bundesdeutsche Mietrecht sozialverträglich gestalten und die Interessen beider Mietvertragsparteien berücksichtigen.

 

Daher entschied der BGH, dass die vom Berufungsgericht angenommene zusätzliche Voraussetzung, dass der Vermieter die Wohnung „dringend“ benötigt, nicht zutreffend ist. Die Anforderungen an eine Eigenbedarfskündigung richten sich allein nach den Vorschriften des BGB, und es gelten keine höheren Anforderungen aufgrund der ursprünglichen Regelungen des ZGB-DDR.

 

Der Fall wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen dazu treffen kann, ob der vom Kläger geltend gemachte Eigenbedarf nach den Maßstäben des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorliegt.

 

Fazit

Dieser Fall verdeutlicht die rechtlichen Herausforderungen, die sich aus der Überleitung von DDR-Altmietverträgen in das bundesdeutsche Rechtssystem ergeben. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellt klar, dass die Voraussetzungen für eine Eigenbedarfskündigung eines DDR-Altmietvertrags nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu beurteilen sind und keine zusätzlichen Anforderungen aus den ursprünglichen Regelungen des ZGB-DDR gelten.

 

Die Anwaltskanzlei Bauer & Kollegen aus Brühl steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unser erfahrenes Team von Anwälten kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Mietrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.

 

Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Fragen oder Anliegen sollten Sie sich an einen qualifizierten Rechtsanwalt wenden.

 

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.




weiter