27.10.2025 von Sven M. Bauer
Dürfen DFB-Schiedsrichterassistenten vor einem Arbeitsgericht klagen?
Welche Gerichte sind zuständig, wenn ein DFB-Schiedsrichterassistent Entschädigung wegen Benachteiligung verlangt? Mit dieser Frage befasste sich das Landesarbeitsgericht Köln im Beschluss vom 16.06.2025 (Az. 5 Ta 58/25). In diesem Artikel der Anwaltskanzlei Bauer und Kollegen aus Brühl erfahren Sie, warum das Gericht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet hat und weshalb es das angestrebte Vertragsverhältnis eines Schiedsrichterassistenten in der 3. Liga als Arbeitsverhältnis bewertet hat.
Ein junger Schiedsrichter sucht seinen Platz im Profibereich
Der Kläger ist 28 Jahre alt und seit mehreren Spielzeiten als Schiedsrichter im Bereich des Westdeutschen Fußballverbands (WDFV) aktiv. In der Saison 2021/2022 schaffte er den Sprung in die Regionalliga. Sein nächstes Ziel war die 3. Liga, also der Profibereich, dessen Spielbetrieb vom Deutschen Fußball-Bund organisiert wird. Für diese Profiligen führt die Beklagte, die für die Besetzung der Spiele zuständig ist, sogenannte Schiedsrichterlisten.
Der Weg in die 3. Liga führt in der Praxis häufig über sogenannte Coaching-Plätze. Dabei melden die Regionalverbände geeignete Schiedsrichter, die zusätzlich durch die für die Profiligen zuständige Stelle beobachtet und bewertet werden. Für die Saison 2024/2025 erhielt der WDFV fünf Coaching-Plätze und sechs Plätze für Schiedsrichterassistenten in der 3. Liga. Diese Kontingente wurden innerhalb der Regionalverbände weiter auf die Landesverbände verteilt. Dem Verband, dem der Kläger angehört, fielen jeweils ein Coaching-Platz und zwei Assistentenplätze zu.
Der zuständige Ausschuss seines Landesverbands schlug jedoch andere Schiedsrichter vor. Ein Kollege wurde für einen Coaching-Platz nominiert und damit zugleich als Assistent für die 3. Liga gemeldet. Auch auf Ebene des WDFV gingen die übrigen Plätze an andere Schiedsrichter. Ein weiterer, bereits in der Vorsaison tätiger Assistent wurde erneut berücksichtigt. Der Kläger blieb unberücksichtigt.
Der 28-Jährige sah darin eine Benachteiligung wegen seines Alters und machte Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geltend. Kurz erklärt: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schützt Personen vor Diskriminierung, unter anderem wegen des Alters, und kann Entschädigungsansprüche begründen. Der erste Streitpunkt war jedoch nicht die Frage, ob tatsächlich eine Diskriminierung vorlag, sondern welcher Rechtsweg eröffnet ist. Gehört ein solcher Anspruch vor die Zivilgerichte oder vor die Arbeitsgerichte?
Die Beklagte bestritt die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. Ihre Argumentation: Selbst wenn der Kläger auf die Schiedsrichterliste der 3. Liga aufgenommen worden wäre, wäre dadurch kein Arbeitsverhältnis entstanden. Ein Schiedsrichter sei weder weisungsgebunden noch fremdbestimmt, er bestimme also wesentlich frei über seine Tätigkeit und sei deshalb kein Arbeitnehmer.
Das Arbeitsgericht Bonn folgte zunächst dieser Sicht und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht Frankfurt am Main. Dagegen legte der Kläger Rechtsmittel ein. Er hielt dem entgegen, dass die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit in der 3. Liga eine persönliche Abhängigkeit begründe. Einsatzplanung, Pflichtfortbildungen, verbindliche Vorgaben und mögliche Sanktionen bei Absagen seien starke Hinweise auf ein Arbeitsverhältnis. Außerdem gebe es im Profibereich faktisch eine Monopolstellung, sodass ein Wechsel zu einem anderen „Auftraggeber“ praktisch ausscheide.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu verstehen, wie Einsätze organisiert sind: Die Spielaufträge laufen über das System „DFBnet“. Schiedsrichterassistenten können zwar im Voraus Zeiten als „frei“ oder „verhindert“ markieren. Die eigentliche Einteilung erfolgt dann zentral. Absagen sind grundsätzlich möglich, wiederholte oder unbegründete Absagen können aber – so die Schiedsrichterordnung – Konsequenzen nach sich ziehen, bis hin zu einer befristeten Nichtansetzung oder der Streichung von der Schiedsrichterliste. Vergütet wird jeweils pro Einsatz, eine monatliche Grundvergütung gibt es nicht. All das prägte die Positionen der Parteien: Der Kläger sah darin klare Abhängigkeiten, die Beklagte hingegen eine freie Mitarbeit ohne arbeitsrechtliche Bindung.
Arbeitsgerichte sind zuständig für Streit über den Zugang zur 3. Liga
Das Landesarbeitsgericht Köln hob die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn auf und erklärte den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig. Maßgeblich war für das Gericht, dass das vom Kläger erstrebte Rechtsverhältnis – der Vertrag als Schiedsrichterassistent in der 3. Liga – als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Damit sind Ansprüche wegen einer behaupteten Benachteiligung bei der „Nichteinstellung“ nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vor den Arbeitsgerichten zu verhandeln.
Zur Begründung stellte das Gericht auf die gesetzlichen Kriterien für ein Arbeitsverhältnis ab. Entscheidend ist, ob eine Person weisungsgebunden und fremdbestimmt in persönlicher Abhängigkeit tätig wird. Zwar bezeichnet der zwischen Schiedsrichterassistent und der zuständigen Stelle verwendete Mustervertrag die Zusammenarbeit als „selbständig“ und betont die Freiheit, Einsätze abzulehnen. Das LAG Köln betrachtete den Vertrag aber nicht isoliert, sondern im Zusammenspiel mit der Schiedsrichterordnung. Diese sieht insbesondere vor, dass wiederholte unbegründete Absagen oder verspätete Absagen ohne ausreichenden Grund geahndet werden können – bis hin zur Streichung von der Schiedsrichterliste. Zudem bestehen Pflichtfortbildungen, Trainingsanforderungen und Vorgaben zur Kleidung. Nach Auffassung des Gerichts schränken diese Regeln die vermeintliche Freiwilligkeit in einer Weise ein, die einer Arbeitspflicht gleichkommt.
Ein wichtiges Indiz für persönliche Abhängigkeit war für das Gericht auch die asymmetrische Situation bei der Einsatzplanung: Während Schiedsrichter ihre Einsätze nicht ohne weiteres ablehnen dürfen, kann die zuständige Stelle die Einteilung unterlassen, ohne Gründe nennen zu müssen. Hinzu kommen die Pflicht zur höchstpersönlichen Leistungserbringung und die faktische Monopolstellung im Profibereich. Beides spricht nach Ansicht des Gerichts dafür, dass Schiedsrichterassistenten in der 3. Liga in eine fremde Organisation eingebunden sind.
Nicht entscheidend war aus Sicht des LAG, dass es keine monatliche Grundvergütung gibt oder dass die Zahl der Einsätze schwanken kann. Ebenso wenig kam es darauf an, ob während des Spiels fachliche Anweisungen erteilt werden, denn die Eigenart der Tätigkeit lässt eine unmittelbare Steuerung im Spiel ohnehin nicht zu. Prägend sei vielmehr die Gesamtorganisation um die Einsätze herum, samt Verpflichtungen und Sanktionsmöglichkeiten.
Im Ergebnis qualifizierte das LAG Köln den angestrebten Vertrag als Arbeitsvertrag. Das eröffnet den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für die geltend gemachten AGG-Ansprüche. Der Beschluss ist allerdings nicht rechtskräftig; die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen.
Was bedeutet das für Schiedsrichter und Verbände
Das LAG Köln bewertet das angestrebte Vertragsverhältnis eines Schiedsrichterassistenten in der 3. Liga als Arbeitsverhältnis und eröffnet damit den Weg zu den Arbeitsgerichten für Ansprüche nach dem AGG. Für Schiedsrichter heißt das: Wenn Struktur, Pflichten und Sanktionsmöglichkeiten der Tätigkeit persönliche Abhängigkeit begründen, spricht viel für arbeitsrechtlichen Schutz. Für Verbände bedeutet es, dass Rahmenverträge und Ordnungen im Zusammenspiel betrachtet werden und der bloße Hinweis auf Selbständigkeit rechtlich nicht ausreicht. Allerdings ist der Beschluss noch nicht rechtskräftig.
Sollten Sie Fragen im Bereich des Arbeitsrechts haben, unterstützt die Anwaltskanzlei Bauer und Kollegen aus Brühl Sie gerne mit ihrer langjährigen Erfahrung. Wir stehen Ihnen kompetent zur Seite, wenn es um arbeitsrechtliche Fragestellungen und Verfahren geht, um Ihre Interessen bestmöglich zu vertreten.
Dieser Blog-Artikel dient ausschließlich zu Informationszwecken und ersetzt keine Rechtsberatung. Für individuelle Fragen oder Anliegen empfehlen wir, einen qualifizierten Rechtsanwalt zu konsultieren.
Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Landesarbeitsgericht Köln vom 16.06.2025, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichts.