22.10.2024 von Sven M. Bauer

Bei Unfall nicht angeschnallt gewesen – Mithaftung für verletzte Beifahrerin?

Am 27. August 2024 entschied das Oberlandesgericht Köln über einen Fall, der verdeutlicht, wie die gesetzliche Anschnallpflicht im Straßenverkehr auch die Mitinsassen schützen soll. Unter dem Aktenzeichen 3 U 81/23 wurde festgestellt, dass Fahrzeuginsassen, die ihre Gurtpflicht gemäß der Straßenverkehrsordnung verletzen und dadurch andere Insassen verletzen, grundsätzlich haftbar gemacht werden können. Warum dies in diesem Fall jedoch nicht entscheidend war, erfahren Sie hier.

 

Zusammenfassung des Unfallhergangs und der Beteiligten

Der Fall ereignete sich im September 2018, als ein stark alkoholisierter Fahrer eines Audi A5 Coupé mit überhöhter Geschwindigkeit die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor und auf einer Landstraße frontal mit einem entgegenkommenden Skoda Citigo kollidierte. Im Skoda saßen drei Frauen, unter ihnen die 36-jährige Beifahrerin, die schwer verletzt wurde.

 

Hinter der Beifahrerin saß die 38-jährige Beklagte auf der Rückbank, die zum Zeitpunkt des Unfalls nicht angeschnallt war. Die Versicherung des Fahrers des Audi A5, der bei dem Unfall verstarb, machte die nicht angeschnallte Frau für die Verletzungen der Beifahrerin mitverantwortlich. Die Versicherung argumentierte, dass die Beklagte durch ihre Nichteinhaltung der Gurtpflicht mitverantwortlich für die schweren Rückenverletzungen der Beifahrerin sei. Laut den von der Klägerin vorgelegten Gutachten habe die Beklagte durch den Aufprall ihre Knie in die Rückenlehne der Beifahrerin gerammt, was zu den Verletzungen geführt haben soll. Aufgrund dieser Annahmen forderte die Versicherung eine Erstattung von 70 % der bereits gezahlten Entschädigungen sowie eine Beteiligung an zukünftigen Zahlungen.

 

Die Beklagte bestritt jedoch, dass ihre Sitzposition und der fehlende Gurt die Verletzungen verursacht hätten. Sie argumentierte, dass der Unfall für die Insassen des Skoda unvermeidbar gewesen sei und dass das gravierende Fehlverhalten des stark alkoholisierten Audi-Fahrers den Unfall maßgeblich verursacht habe.

 

Gerichtliche Bewertung und Urteilsbegründung

Das Oberlandesgericht Köln wies die Berufung der Klägerin zurück und bestätigte das Urteil des Landgerichts Bonn, das eine Mithaftung der Beklagten abgelehnt hatte. Das Gericht erkannte zwar an, dass die Anschnallpflicht gemäß § 21a Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung eine drittschützende Norm ist, die auch andere Fahrzeuginsassen vor Verletzungen schützen soll. Jedoch entschied es, dass im vorliegenden Fall das erhebliche Verschulden des Unfallverursachers das geringfügige Mitverschulden der Beklagten deutlich überwiege.

 

Der Senat hob hervor, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin durch seine stark alkoholisierte und unverantwortliche Fahrweise den Unfall verursacht hatte und dass dieser Verstoß wesentlich schwerer wiege als die Nichteinhaltung der Gurtpflicht durch die Beklagte. Angesichts dieser Umstände trat das mögliche Mitverschulden der Beklagten vollständig zurück, sodass sie nicht haftbar gemacht werden konnte.

 

Diese Entscheidung verdeutlicht die Komplexität der Haftungsabwägung in Verkehrsunfällen, bei denen mehrere Faktoren eine Rolle spielen. Trotz der drittschützenden Funktion der Anschnallpflicht wurde in diesem Fall die alleinige Verantwortung des Unfallverursachers für die schweren Verletzungen der Beifahrerin gesehen, was die Versicherung des Verursachers vollumfänglich haften ließ.

 

Die Anwaltskanzlei Bauer & Kollegen aus Brühl steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unser erfahrenes Team von Anwälten kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Verkehrsrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.

 

Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Fragen oder Anliegen sollten Sie sich an einen qualifizierten Rechtsanwalt wenden.

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 27. August 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.





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