21.06.2023 von Bianca Dlugosch

Bahnfahren ist Arbeitszeit: Ein “bahnbrechendes” Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg

In der sich ständig verändernden Welt des Arbeitsrechts haben Gerichtsentscheidungen weitreichende Auswirkungen auf das Leben und die Arbeit von Millionen von Menschen. Ein bemerkenswertes Beispiel dafür ist ein jüngst gefälltes Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg. In dem Beschluss vom 2. Mai 2023 (Aktenzeichen: 3 A 146/22) wurde festgestellt, dass Bahnfahren Arbeitszeit sein kann. Diese Entscheidung könnte die Art und Weise, wie Arbeitszeit und Reisezeit definiert werden, grundlegend verändern.

Der Hintergrund des Urteils

Das genannte Urteil entstand aus dem Fall eines Mitarbeiters, der regelmäßig Neufahrzeuge für eine Spedition überführte. Im Rahmen seiner Tätigkeit musste dieser Mitarbeiter häufig Bahnfahrten zu den verschiedenen Abholorten der Fahrzeuge unternehmen. Es entstand die bekannte rechtliche Fragestellung: Sollte die Zeit, die der Mitarbeiter für die Bahnfahrt zu den Abholorten der Fahrzeuge aufwendet, als Arbeitszeit betrachtet werden? Wobei dies eigentlich nur am Rande relevant war, eigentlich ging es in dem Fall nämlich lediglich um die Anordnung der Aufzeichnung der Arbeitszeit, gegen den sich die Spedition als Klägerin zur Wehr setzte.

Das Urteil

Das Verwaltungsgericht Lüneburg entschied: Die einschlägigen europarechtlichen Grundlagen (Arbeitszeit-Richtlinie) erforderten im vorliegenden Fall eine von der gängigen Definition des Bundesarbeitsgerichts (BAG) abweichende Bestimmung des Begriffs der Arbeitszeit.
Die Klägerin (die Speditionsfirma, welche den Mitarbeiter beschäftigte) hatte sich auf eben diese Definition des Bundesarbeitsgerichtes berufen und begründete auf dieser Grundlage, dass sie die Bahnfahrten des Mitarbeiters nicht als Arbeitszeit angesehen haben.
Aufgrund der Entscheidung des Gerichtes sind gerade diese Bahnfahrten des Mitarbeiters in diesem konkreten Fall doch als Arbeitszeit zu werten.

Die Bedeutung des Urteils und seine Auswirkungen

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Lüneburg ist insofern bemerkenswert, als sie die traditionelle Definition von Arbeitszeit erweitert und damit die Rechte von Arbeitnehmern stärkt, die im Rahmen ihrer Tätigkeit reisen müssen. Sie erkennt an, dass die Zeit, die während der Bahnfahrten zum Einsatzort verbracht wird, tatsächlich als Arbeitszeit betrachtet werden kann.

Diese Entscheidung könnte weitreichende Auswirkungen auf die Art und Weise haben, wie Arbeitgeber die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter berechnen und vergüten. Dies gilt insbesondere für Branchen, in denen Reisen ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit ist. Es könnte dazu führen, dass mehr Arbeitgeber verpflichtet werden, die Reisezeit ihrer Mitarbeiter als Arbeitszeit zu berücksichtigen, was zu einer höheren Vergütung führen kann.

Es ist zu erwarten, dass dieses Urteil dazu führen wird, dass Arbeitgeber ihre Richtlinien und Verfahren zur Arbeitszeitberechnung überprüfen und möglicherweise ändern müssen.

Fazit

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Lüneburg markiert einen wichtigen Wendepunkt in der Anerkennung der Reisezeit als Arbeitszeit. Es bleibt abzuwarten, wie diese Entscheidung in der Praxis umgesetzt wird und welche Auswirkungen sie auf die Arbeitswelt haben wird.

Es ist wichtig zu betonen, dass diese Zusammenfassung nicht als Rechtsberatung dient. Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben oder wissen möchten, wie es sich auf Ihre spezifische Situation auswirkt, sollten Sie einen Rechtsberater konsultieren.

Wir stehen Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unser erfahrenes Team von Anwälten kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieses Urteils zu verstehen und Sie bei allen rechtlichen Fragen zu unterstützen.

Anwaltskanzlei Bauer & Kollegen




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