23.05.2025 von Sven M. Bauer

BAG zu Überstunden: Neue Klarheit für Teilzeitbeschäftigte

In einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) (Az.: 8 AZR 370/20) vom 5. Dezember 2024 wurde eine interessante Entscheidung zur Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten bei der Gewährung von Überstundenzuschlägen getroffen. Der Fall betraf eine Pflegekraft, die bei einem großen ambulanten Dialyseanbieter in Teilzeit beschäftigt war und sich durch eine tarifvertragliche Regelung benachteiligt fühlte. Erfahren Sie mehr über die Forderungen der Pflegekraft und die Einschätzung durch das Bundesarbeitsgericht im heutigen Blogartikel der Kanzlei Bauer und Kollegen.

 

Hintergrund des Falls: Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten bei Überstundenzuschlägen

Die Klägerin arbeitet in Teilzeit als Pflegekraft bei einem großen Dialyseanbieter mit über 5.000 Beschäftigten und ist dort zu 40 Prozent der üblichen Vollzeitstunden angestellt. Für sie gilt ein Tarifvertrag, den das Unternehmen gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen hat. Laut diesem Vertrag gibt es Überstundenzuschläge erst dann, wenn die Arbeitszeit eines Vollzeitjobs überschritten wird – auch für Teilzeitkräfte.

 

Anfang 2018 hatte die Pflegekraft auf ihrem Arbeitszeitkonto über 129 Stunden angesammelt. Trotzdem bekam sie weder Zuschläge für die geleisteten Überstunden noch eine zusätzliche Zeitgutschrift. Sie fühlte sich dadurch unfair behandelt und zog vor Gericht. Dort forderte sie, dass ihr fast 39 Stunden gutgeschrieben werden – und zusätzlich eine Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern. Sie berief sich dabei auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

 

Die Klägerin argumentierte, dass die tarifvertragliche Regelung sie wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung unzulässig benachteilige. Zudem sah sie eine mittelbare Benachteiligung wegen ihres Geschlechts, da der Arbeitgeber überwiegend Frauen in Teilzeit beschäftige. Das Arbeitsgericht wies die Klage zunächst ab, während das Hessische Landesarbeitsgericht der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift zusprach, jedoch die Entschädigung ablehnte. Daraufhin legte die Klägerin Revision beim Bundesarbeitsgericht ein.

 

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht entschied zugunsten der Klägerin und sprach ihr die verlangte Zeitgutschrift sowie eine Entschädigung in Höhe von 250 Euro zu. Das Gericht stellte fest, dass die tarifvertragliche Regelung, die für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt, Teilzeitbeschäftigte benachteiligt. Diese Regelung verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten gemäß § 4 Abs. 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG), wenn keine sachlichen Gründe für die Ungleichbehandlung vorliegen.

 

Das Gericht konnte keine sachlichen Gründe für die Ungleichbehandlung erkennen und erklärte die tarifvertragliche Regelung insoweit für unwirksam. Aufgrund des Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 TzBfG hatte die Klägerin Anspruch auf die eingeklagte Zeitgutschrift. Darüber hinaus stellte das Gericht fest, dass die Klägerin auch eine mittelbare Benachteiligung wegen ihres Geschlechts erfahren habe, da in der Gruppe der Teilzeitbeschäftigten beim Arbeitgeber mehr als 90 % Frauen beschäftigt sind. Daher wurde ihr eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zugesprochen.

 

Fazit

Das Urteil verdeutlicht, dass tarifvertragliche Regelungen, die Teilzeitbeschäftigte benachteiligen, sorgfältig geprüft und gegebenenfalls angepasst werden müssen. Für Teilzeitbeschäftigte ist es wichtig, ihre Rechte zu kennen und sich gegen ungerechtfertigte Benachteiligungen zur Wehr zu setzen. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bietet eine wertvolle Orientierung für ähnliche Fälle und stärkt die Rechte von Teilzeitbeschäftigten im Arbeitsrecht.

 

Die Anwaltskanzlei Bauer & Kollegen aus Brühl steht Ihnen gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Unser erfahrenes Team von Anwälten kann Ihnen helfen, die Auswirkungen dieser Entscheidung aus dem Arbeitsrecht zu verstehen und Sie bei rechtlichen Fragen unterstützen.

 

Dieser Blog-Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Fragen oder Anliegen sollten Sie sich an einen qualifizierten Rechtsanwalt wenden.

 

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 5. Dezember 2024, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.

 




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