15.10.2024 von Sven M. Bauer
Anspruch auf Mindestlohn für Vereinsmitglieder in Yoga-Ashrams
Der gesetzliche Mindestlohn ist ein Instrument, um faire Arbeitsbedingungen und existenzsichernde Löhne in Deutschland zu sichern. In unserem letzten Blogartikel haben wir bereits die allgemeinen Regelungen und Ausnahmen zum Thema Mindestlohn erläutert (Link). Heute möchten wir einen speziellen Fall vom Bundesarbeitsgericht (BAG) besprechen, der verdeutlicht, wie wichtig die Einhaltung des Mindestlohns auch in ungewöhnlichen Arbeitsverhältnissen ist. Das Urteil (Aktenzeichen: 9 AZR 253/22) vom 25. April 2023 betrifft den Anspruch einer Klägerin, die als Mitglied eines Yoga-Ashrams tätig war, auf den gesetzlichen Mindestlohn.
Hintergrund des Falles
Die Klägerin und ihre Rolle im Yoga-Ashram
Die Klägerin, eine Volljuristin, war vom 1. März 2012 bis zum 30. Juni 2020 als Sevaka in einem Yoga-Ashram tätig, das von einem gemeinnützigen Verein betrieben wird. Der Verein verfolgt den Zweck, die Lehren und Techniken des Yoga zu verbreiten und fördert religiöse und spirituelle Praktiken. Sevakas, die Vereinsmitglieder sind, leben in einer Ashram-Gemeinschaft und sind verpflichtet, verschiedene Tätigkeiten wie Küchenarbeit, Gartenpflege, Verwaltung und Yogaunterricht auszuführen. Dafür erhalten sie Unterkunft, Verpflegung und ein monatliches Taschengeld.
Der Streit um den Anspruch auf Mindestlohn
Die Klägerin machte geltend, dass zwischen ihr und dem Verein ein Arbeitsverhältnis bestand und sie daher Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn habe. Sie forderte rückwirkend ab dem 1. Januar 2017 eine Nachzahlung in Höhe von 46.118,54 Euro brutto. Der Verein hingegen argumentierte, dass die Klägerin gemeinnützige Sevadienste als Mitglied einer spirituellen Gemeinschaft geleistet habe und somit kein Arbeitsverhältnis vorliege. Der Verein berief sich auf das Selbstbestimmungsrecht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, das es ermöglicht, ohne Arbeitsverhältnis gemeinnützigen Dienst zu leisten.
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht gab der Klägerin Recht und entschied, dass sie als Arbeitnehmerin anzusehen sei und Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn habe. Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt:
Weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit
Das BAG stellte fest, dass die Klägerin vertraglich zu Sevadiensten verpflichtet war, die weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit darstellten. Diese Tätigkeiten ähnelten denen eines regulären Arbeitsverhältnisses, wodurch automatisch der gesetzliche Mindestlohn zur Anwendung kommen müsse.
Religiöse und weltanschauliche Aspekte im Arbeitsverhältnis
Das Gericht erkannte zwar das Selbstbestimmungsrecht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften an, stellte aber klar, dass der Verein kein hinreichendes Maß an religiöser Systembildung und Weltdeutung aufwies. Daher könne der Verein sich nicht auf das Selbstbestimmungsrecht berufen, um die Arbeitsverhältnisse der Sevakas außerhalb der staatlichen Arbeitsrechtsbestimmungen zu regeln.
Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Bestimmungen
Das BAG betonte, dass die Arbeitsleistung der Klägerin nicht zu einer Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen führen dürfe. Der Verein hatte der Klägerin keinen gesetzlichen Mindestlohn gezahlt, sondern lediglich ein Taschengeld und Sachleistungen gewährt, was nicht ausreiche, um die arbeitsrechtlichen Mindeststandards zu erfüllen.
Fazit
Dieses Urteil des Bundesarbeitsgerichts unterstreicht die Bedeutung des gesetzlichen Mindestlohns und die Notwendigkeit, dass auch ungewöhnliche Arbeitsverhältnisse wie die eines Sevakas in einem Yoga-Ashram den arbeitsrechtlichen Bestimmungen unterliegen. Wenn Sie sich in einer ähnlichen Situation befinden oder Fragen zum Thema Mindestlohn haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Die Kanzlei Bauer & Kollegen aus Brühl kann Ihnen helfen, Ihre Rechte zu verstehen und durchzusetzen.
Dieser Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Bei spezifischen Fragen oder Anliegen sollten Sie sich an einen qualifizierten Rechtsanwalt wenden.
Quelle der Entscheidung: Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. April 2023, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.